DIE EIGENE WELT DES JOSEF STEIGER (TEXTAUSSCHNITT)

Von Peter Campa

 

1.Szene

 

Rollen:

 

Josef Steiger

Ein Unbekannter

 

Josef wird auf der Straße von einem unbekannten Mann angesprochen, der aber so tut, als würde er Josef schon eine Ewigkeit kennen. . Nach wenigen Sätzen fragt ihn dieser, was er sich eigentlich denke. :Es entwickelt sich ein Dialog.

 

Josef (Jo): Es gibt nichts, dass mich mehr irritiert, als wenn mich einer fragt, was ich denke.  An was soll ich denken, an NICHTS. Unbekannter (U):Das gibt’s ja net. Du kannst doch nicht an gar nichts denken. Man kann an vieles denken, aber doch nicht an GAR NICHTS. I glaub, du denkst schon an etwas, aber du willst es mir nur nicht sagen ! Denkst du an ein Eichhörnchen ? Jo:Aber geh hör auf, wie kommst du ausgerechnet auf ein Eichhörnchen ? Ich denke an kein Eichhörnchen. U: An kein Eichhörnchen denkst du also, dann erzähle mir, wie schaut denn das aus, dieses kein Eichhörnchen ? Is es braun, oder rotbraun, hat es einen buschigen Schwanz ? Jo:Bitte, es schaut gar nicht aus, denn ich denke ja an gar kein Eichhörnchen. U:An was denkst du dann ? Jo:Ich habe schon einmal gesagt, ich denke an NICHTS. Und ein bisschen denke ich auch an dich, weil du so blöde Fragen stellst !“U: Aha, an mich denkst du also. Und was denkst du da über mich, wenn du an mich denkst ? Jo: Naja, nichts eben, außer dass du mich gerade gefragt hast, an was ich denke. U: Ah, wenn du an mich denkst, denkst du nichts ? Jo:Ja, so ist es glaub ich. Ich denke jedenfalls an kein Eichhörnchen. U:Und du denkst auch an keinen Hasen ? Ich denke auch an keinen Hasen. Wieso kommst du auf einen Hasen ? Ich denke an nichts eben, außer, dass du mich gerade gefragt hast, an was ich denke.U: Und du hast die ganze Zeit an überhaupt kein Eichhörnchen und an überhaupt keinen Hasen gedacht ? Jo:Natürlich, hab ich ein bisschen an ein Eichhörnchen und auch ein bisschen an einen Hasen gedacht. Aber nur deshalb, weil du  so blöd gefragt hast, ob ich an ein Eichhörnchen denke oder an einen Hasen. Ich habe an kein Eichhörnchen gedacht, dann hast du mich gefragt, ob ich an ein Eichhörnchen denke und da hast du mich an ein Eichhörnchen erinnert. Und dann hast du mich auch noch an kein Eichhörnchen erinnert. Lass mich in Ruh jetzt, warum willst du immer wissen, was ich denke ? Das geht dich doch überhaupt nichts an.  U: Naja, ich hab eben das Gefühl, dass du etwas verdrängst. Jo:Das ist möglich, nur ja nichts verdrängen ! Aber ich verdränge nichts. U: Doch, ich bin sicher, du verdrängst etwas. Jo:Was denn, ein Eichhörnchen ? U: Wenn du es schon sagst, dann verdrängst du sicher ein Eichhörnchen. Jo:Wie gibt’s denn sowas ?  Ich hab noch nie in meinem ganzen Leben ein Eichhörnchen verdrängt. Wie soll denn das ausschauen, das Eichhörnchen, dass ich verdrängt hab ? U: Naja, vielleicht war es kein Eichhörnchen. Aber verdrängt hast du sicher schon etwas in deinem Leben. Jo: Ja, ich weiß eh, es gibt nichts Schlimmeres als wenn man etwas verdrängt. Aber ich habe nichts verdrängt, jedenfalls  kein Eichhörnchen. U: Doch, du bist ein alter Verdränger ! Jetzt werd endlich frei und stell dich der Realität ! Was ist mit dem Eichhörnchen ?  Jo: Kannst du mich jetzt endlich mit diesem Eichhörnchen in Ruhe lassen ? Ich denke an nichts, ich denke grundsätzlich an nichts. Und wenn ich an etwas denke, dann geht dich das nichts an. U: Du bist aber ein schöner Freund. Du sagst, es geht niemand etwas an, was du denkst, nicht einmal deinen Freund. Weil du krank bist, weil du verdrängst. Du bist ja nicht gesund, schau dich einmal in den Spiegel. So schaut einer nicht aus, der an nichts denkt. Jo: Ah, wie schau ich denn aus ? U: Wie einer, der an ein Eichhörnchen denkt oder an kein Eichhörnchen. Oder an einen Hasen. Gib´s zu ! Du bist so einer ! Ich weiß es, wir alle wissen es, sogar du weißt es. Du bist stadtbekannt. Jeder sieht schon von der Weite, woran du denkst. Aber du willst es nicht zugeben. Dein Schatten folgt dir. Jeder weiß es: Du bist ein Verdränger. Ein arger Neurotiker bist du. Du gehörst in psychiatrische Behandlung. Aber ich weiß auch nicht ob die dir noch helfen können. Also, ich frage dich zum letzten Mal: Woran denkst Du ? Jo: Jetzt denke ich an ein Krokodil. U:Na also, das hab ich immer schon gewußt. Das Krokodil kommt dir ja schon direkt bei den Augen heraus. Und woran denkst du, wenn du an ein Krokodil denkst? Geh bitte hör auf ! Dir kommt dein Unterbewusstsein schon bei den Ohrwascheln heraus. Sag mir endlich, woran denkst du , wenn du an ein Krokodil denkst ? Jo: An gar nichts. U: Aha, du denkst an gar nichts, wenn du an ein Krokodil denkst. Das hätt ich mir ja gleich denken können. Du gehörst ja zum Amtsarzt. Der soll ein verkehrspsychologisches Gutachten machen  und dich dann aus dem Verkehr ziehen. Du denkst pausenlos, reden tust du aber immer etwas anderes, als du denkst. Also offenbar denkst du zwei mal. Woran hast du gedacht, wie du gesagt hast, du denkst an ein Krokodil ?  Jo:Ich weiß nicht. U: Und woran denkst du jetzt ? Jo:Ich weiß nicht, woran ich denke. Wenn ich denke, woran ich denke, denke ich vielleicht schon an etwas anderes. U: Du bist ein ganz fieser Typ. Du versuchst immer, dich herauszureden.  Du wirst mir immer unheimlicher. Solche Leute wie du sind gefährlich. JO: Was ? Ich gefährlich ? Ja, du und so Leute wie du. Leute, die an kein Eichhörnchen  denken und die nicht ausschauen und an nichts denken. Dich gibt es eigentlich gar nicht. Du glaubst nur, dass es dich gibt, weil du überall so Leute wie Dich herumrennen und auf Plakaten herumhängen siehst. Das Gesicht ist denen schon herausgefallen. Und dir genauso ! Jo: Jetzt bist du aber unfair ! U: Sag mir lieber, was du jetzt denkst !  Unfair ! Ist das alles, woran du denkst ?